Streitthema Fahrgastrechte im Busverkehr

Wenn von Verspätungen und Entschädigungen die Rede ist, denken viele an Flugreisen. Die Passagier- und Fahrgastrechte bei Ausfall und Verspätung gelten jedoch auch für Fernbusreisen. Vielen Fahrgästen dürfte das aber nicht bewusst sein.

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Vor allem bei Menschen mit niedrigem Budget sind Fernbusse eine beliebte Alternative zu Bahn- oder Flugreisen. Mitunter sind die Busse sogar schneller als die Bahn, wie Stephan K. berichtet. Aus beruflichen Gründen war er im vergangenen Jahr häufig zwischen Wien und Zagreb unterwegs, immer wieder auch mit dem Linienbus. Bis zu jenem Tag, an dem Herr K. viel länger als gewöhnlich auf den Bus warten musste.

Recht auf Entschädigung auch bei verspäteten Bussen

Wegen einer Panne fuhr der Bus mit zwei Stunden Verspätung dann am Busbahnhof in Wien Erdberg ein und Herr K. und die anderen Fahrgäste konnten ihre Reise antreten. Noch während der Fahrt schrieb Herr K. an das Busunternehmen Flixbus und fordert eine Entschädigung.

Tatsächlich ist seit 2013 die EU-Verordnung über Fahrgastrechte im Omnibusverkehr in Kraft. Sie legt fest, dass Busreisende nach eineinhalb Stunden verzögerter Abreise der Busses das Recht auf eine „angemessene Hilfeleistung“ haben, etwa einen Imbiss oder notfalls auch ein Hotel. Nach zwei Stunden Wartezeit am Abfahrtsort, bei Überbuchung oder Ausfall des Busses muss das Unternehmen den Reisenden außerdem anbieten, die Reise später als geplant fortzusetzen oder ihr Ticket kostenlos zu stornieren und das Geld zurück zu erhalten. Bietet ein Unternehmen diese Alternative nicht an, muss es Fahrgästen eine Entschädigung über die Hälfte des Ticketpreises bezahlen.

Entschädigung auch bei Fahrtantritt

Im Fall von Herrn K. hatte das Busunternehmen tatsächlich verabsäumt, die Fahrgäste über die Möglichkeit einer kostenlosen Stornierung des Tickets zu informieren. Trotzdem wollte flixbus Herrn K. die Entschädigung über 50 Prozent des Ticketpreises nicht ausbezahlen. Laut der Ansicht der Rechtsabteilung des Unternehmens galt der Entschädigungsanspruch nur für den Fall, dass ein Fahrgast die Reise nicht angetreten sei. Herr K. sah das anders und wandte sich an die kostenlose Schlichtungsstelle der Agentur für Passagier- und Fahrgastrechte (APF).

Dort teilte man Herrn K.s Sichtweise prinzipiell, befand aber auch, dass die entsprechende Stelle in der EU-Verordnung missverständlich formuliert war. Endgültig Klarheit konnte daher nur eine Anfrage an die EU-Kommission bringen, erklärt die Leiterin der APF, Maria-Theresia Röhsler: „Die Kommission hat die Meinung der APF bestätigt, dass die 50 Prozent Entschädigung unabhängig von der Frage sind, ob die Reise tatsächlich angetreten wurde.“ Außerdem informierte die EU-Kommission noch einmal alle europäischen Schlichtungsstellen darüber, wie der entsprechende Passus in der Verordnung zu verstehen sei.

Fahrgastrechte bei Busreisen

Flixbus teilt diese Rechtsmeinung zwar nicht, wie man in der Stellungnahme an die APF betont, bot Herrn K. aber an, die Entschädigung zu übernehmen oder einen Gutschein über den Fahrtpreis auszustellen. Ein Angebot, das der Konsument annahm. Flixbus übernahm außerdem die Kosten für einen Imbiss, den Herr K. während der Wartezeit gekauft hatte und das Unternehmen bezahlte in Kulanz auch Herrn K.s Taxirechnung in Zagreb. Denn der Bus von Herrn K. war nicht nur verspätet abgefahren, unterwegs vergrößerte sich die Verspätung weiter und Herr K. kam erst um drei Uhr in der früh in Zagreb an. In diesem Fall war das Unternehmen aber nicht verpflichtet, Herrn K.s Taxirechnung zu übernehmen.

Denn anders als bei Bahn- oder Flugreisen gilt im Fall von Busreisen nur die Verspätung am Abfahrtsort. Fährt ein Bus pünktlich ab, kommt aber mehr als zwei Stunden verspätet am Ziel an, besteht kein Anspruch auf eine Ersatzleistung oder Entschädigung, erklärt Maria-Theresia Röhsler: „Bei der Formulierung der Verordnung ist man davon ausgegangen, dass anders als im Flug- und Bahnverkehr bei Busreisen während der Fahrt mehr Fahrtbehinderungen auftreten können, auf die das Unternehmen keinen Einfluss hat“.

Auch Bagatellbeträge einfordern sinnvoll

Generell gilt bei Busreisen: Anspruch auf Entschädigung gibt es nur bei Linienbussen und nicht etwa bei angemieteten Ausflugsbussen. Die zurückgelegte Strecke muss außerdem länger als 250 Kilometer sein und der Abfahrts- oder Ankunftsort, oder ein Großteil der Strecke muss in der EU liegen. Fährt ein Bus verspätet ab, rät die APF sich die Verspätung nach Möglichkeit vom Busunternehmen schriftlich bestätigen zu lassen, um später Ansprüche leichter durchsetzen zu können.

Pro Jahr melden sich nur rund 80 Busreisende bei der Agentur für Passagier- und Fahrgastrechte, wohl auch, weil die Verordnung bei verspäteten Ankünften nicht anwendbar ist. Vielen Reisenden dürfte eine Beschwerde auch zu viel Aufwand sein. Weil die Bustickets meist sehr günstig sind, geht es bei möglichen Entschädigungen um eher geringe Beträge. Auch Herrn K. ging es bei seiner Anfrage an die APF mehr ums Prinzip - und tatsächlich hatte seine Beschwerde am Ende auch eine Klarstellung der EU-Kommission zur Folge.

Alexandra Siebenhofer, help.ORF.at

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