Ein Auto für viele. Wie nachhaltig ist Carsharing?

Sich ein Auto mit anderen zu teilen, ist für vor allem für Gelegenheitsfahrer ein interessantes Angebot. Bezahlt wird nur für jede gefahrene Minute. Wirklich nachhaltig ist Carsharing allerdings nur, wenn private PKW überflüssig werden. Und davon ist man in Wien noch weit entfernt.

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Mit Carsharing werden in Städten zwei Hoffnungen verbunden: Es macht eigene Autos überflüssig. Und es macht Menschen anscheinend mobiler - denn Carsharing-Nutzer sind laut Studien offener gegenüber einem Mobilitätsmix aus öffentlichen Verkehrsmitteln, Fahrrad und Zufußgehen, die umweltfreundlichsten Fortbewegungsarten. In Österreich sei man davon allerdings noch weit entfernt, sagt Tadej Brezina vom Institut für Verkehrswissenschaften der Technischen Universität Wien, denn Carsharing-Anbieter gebe es bis dato nur in Wien und hier sei das Angebot viel zu klein.

Zu wenig Nutzer, zu wenig Autos

Derzeit stehen in Wien etwa 1500 Fahrzeuge zur Verfügung, mit denen etwa 7000 Fahrten täglich getätigt werden. Im Vergleich dazu: Zweieinhalb Millionen Strecken werden jeden Tag mit den Öffis zurückgelegt, eineinhalb Millionen Fahrten mit einem privaten PKW. Das heißt, der Anteil von Carsharing an der Gesamtmobilität liegt in Wien noch im Promillebereich. Hier brauchte es eine Verzehnfachung des Angebotes, um einen messbaren Effekt zu erzielen, so Brezina.

Die beiden größten Anbieter in Wien sind Car2go und Drive now, mit jeweils 700 Fahrzeugen in der Flotte. Preislich liegen die beiden nahe beeieinander. Zwischen rund 30 und 40 Cent pro Minute werden je nach Größe des Fahrzeugs und der Mietdauer verrechnet. Beide funktionieren nach dem „free floating“ Prinzip: Es gibt keine eigenen Stationen für die Autos, die Fahrzeuge können einfach im festgelegten Geschäftsgebiet geparkt werden.

Große Autos nicht zukunftsträchtig

Car2go und Drive now bieten beide kleine Automodelle an, wie Smart oder Mini-Dreitürer, aber auch große Limousinen. Dass es diese großen Fahrzeuge im Carsharing in Wien wirklich braucht, bezweifelt Brezina. Denn Studien haben gezeigt, dass in Wien zur Stoßzeit durchschnittlich 1,2 Personen in einem Fahrzeug sitzen. Dreieinhalb Sitzplätze sind folglich leer. „Das wird, mutmaße ich jetzt einmal, bei den Carsharing-Fahrzeugen nicht deutlich besser sein“, so der Verkehrsplaner. In einem schnellen, flexibel zu nutzenden Verkehrssystem seien große Fahrzeuge eher ein Ballast. „Das ist kein zukunftsträchtiger Weg“, meint Brezina.

Große Fahrzeuge sind schwerer, verbrauchen mehr Treibstoff und produzieren mehr Abgase. Car2go und Drive now betonen auf Anfrage von Help dennoch, dass auch die größeren Limousinen aus ihrer Sicht nachhaltig seien. Denn ein Carsharing-Fahrzeug ersetzt laut diverser wissenschaftlicher Studien mehrere private PKW und man könne mit den größeren Fahrzeugen unterschiedliche Bedürfnisse der Nutzer abdecken. Zur durchschnittlichen Anzahl der Insassen können beide Unternehmen keine Auskunft geben.

Carsharing auch Platzfrage

Gleiches gilt für Pauschalangebote bei der Abrechnung. Carsharing-Fahrzeuge sollten schnell wieder zur Verfügung stehen, um nachhaltig zu sein. Car2go und Drive now bieten jedoch günstigere Konditionen an, wenn man die Autos gleich stundenweise mietet. Es wäre umgekehrt viel besser, kurze Reservierungs- und Mietzeiten finanziell attraktiver zu machen.

Rund ein Viertel aller Wege werden in der Stadt mit dem Auto zurückgelegt. Der motorisierte Individual Verkehr, kurz MIV, nimmt aber fast zwei Drittel des Platzes in Anspruch. Das sei zwar schwer zu kalkulieren, weil Teile der Fahrbahnen auch durch den öffentlichen Verkehr benutzt werden. „Aber wenn man nur die Fahrbahnen und Parkplätze hernimmt, dann ist das ein krasses Missverhältnis zu dem, was tatsächlich noch an Transportfunktion durch PKW in der Stadt übernommen wird“, erklärt Brezina.

Geteilte E-Mobilität wäre besser

Um nachhaltiger zu werden, braucht das Carsharing in Wien also mehr Nutzer, mehr Fahrzeuge und die sollten möglichst klein sein. Und insgesamt wäre eine Entwicklung in Richtung Elektromobilität wünschenswert. Dazu braucht es allerdings einen Ausbau der Ladestellen in Wien. Organisatorisch sei das allerdings kein Problem, meint der Verkehrsplaner.

Elektroautos von Car2go und Drive now werde es erst geben, wenn die Ladeinfrastruktur entsprechend ausgebaut ist, heißt es dazu von den beiden Unternehmen. Dass es funktionieren kann, zeigen internationale Beispiele: In Stuttgart, Amsterdam und Madrid betreibt Car2go bereits eine rein elektrische Flotte.

Marlene Nowotny, help.ORF.at

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