Nur ein Viertel der Martinigänse aus Österreich

Durchschnittlich einmal im Jahr essen die Österreicher ein Gänsegericht. Dabei kommt nur ein Viertel der Gänse aus Österreich, die meisten stammen aus Ländern, die es mit der artgerechten Haltung nicht so genau nehmen.

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Heimische Produzenten können den Bedarf an Gänsen zu Martini und Weihnachten nicht decken. Drei Viertel der Gänse werden aus dem Ausland bezogen, auch aus Ländern, in denen der Lebendrupf und die Stopfmast nach wie vor erlaubt sind. Für Konsumenten ist oft nicht ersichtlich, woher die Gans auf dem Teller stammt.

Lebendrupf und Stopfmast bei Importgänsen

Der Großteil der Tiere wird aus Ländern wie Ungarn, Polen, Bulgarien und Frankreich importiert. „Neun von zehn importierten Gänsen kommen aus Ländern mit extrem niedrigen Tierschutzstandards“, so Indra Kley, Geschäftsführerin der Tierschutzorganisation Vier Pfoten. Diese Gänse würden während der Mast in engen Ställen gehalten und zwangsernährt, damit sie rascher ihr Schlachtgewicht erreichen.

Weidegans

Karin Fischer/help.ORF.at

Mit heimischen Gänsen lässt sich der Bedarf nicht decken

Auch der in Österreich verbotene Lebendrupf sei in diesen Ländern noch weit verbreitet. Bis zu vier Mal würden Gänse bei lebendigem Leib die Federn ausgerissen. „Wir haben es hier mit Tieren zu tun, die in ihrem kurzen Leben wirklich gequält worden sind. Das möchte niemand auf dem Teller haben“, so Indra.

Im Gasthaus nach der Herkunft fragen

Die Tierschutzorganisation rät, beim Fleischhauer und im Supermarkt einen Blick auf die Herkunftsbezeichnung zu werfen. Die EU-weite EWG-Nummer auf der Verpackung gibt Auskunft, aus welchem Land und von welchem Produzenten das Tier stammt. Für Importgänse hat Vier Pfoten eine Positivliste (PDF) mit Betrieben zusammengestellt, die zumindest auf das Stopfen der Gänse und den Lebendrupf verzichten. Die großen Supermarktketten berücksichtigen diese Positivliste bereits.

Ein Gänsebraten im Backofen

dpa/A3542 Karl-Josef Hildenbrand

Knusprig gebraten sieht man der Gans die Herkunft nicht mehr an

In Gasthäusern und Restaurants werde jedoch auch auf billigere Importgänse aus Massentierhaltung zurückgegriffen, so Kley. Eine Kennzeichnungspflicht für die Herkunft von Fleisch gibt es der Gastronomie gibt nicht. „Konsumenten sollten hier nachfragen, sich die Belege zeigen lassen und mit der Positivliste abgleichen“, rät die Tierschützerin.

Gastronomie gegen verpflichtende Kennzeichnung

Der Fachverband Gastronomie in der Wirtschaftskammer Österreich (WKO) lehnt eine verpflichtende Herkunftskennzeichnung ab und setzt auf Freiwilligkeit. „Die freiwillige Herkunftsbezeichnung gewährleistet ein entsprechend großes Angebot für Gäste, die Interesse und Bereitschaft mitbringen, für regionale Produkte auch entsprechend zu bezahlen“, so Thomas Wolf, Geschäftsführer der Fachgruppe Gastronomie, gegenüber help.ORF.at. Heimische Gänse von der Weide seien teurer im Einkauf. Letztlich entscheide der Gast, was er haben will.

Die Branchenvertreter verweisen auf Partnerschaften mit qualitätsbewussten Bauern und das AMA-Gastro-Siegel. Dieses Siegel erhalten Betriebe, die die Herkunft der verwendeten Produkte von unabhängigen Stellen überprüfen lassen. „Wenn geltende Standards in der Tierhaltung nicht eingehalten werden, nutzt auch eine gesetzlich verpflichtende Herkunftsbezeichnung in der nachgelagerten Lebensmittelkette dem Konsumenten nichts“, so Wolf.

Weidegänse leben artgerecht und länger

Eine Alternative zu importierten Mastgänsen ist die heimische Weidegans. 250 Bauern in Österreich haben sich unter der Dachmarke „Österreichische Weidegans“ zusammengeschlossen, die genaue Mindeststandards für die Haltung vorschreibt. So müssen für Weidegänse mindestens zehn Quadratmeter pro Gans auf einer Weide zur Verfügung stehen, für Biogänse 15 Quadratmeter. Das Getreidefutter ist zertifiziert.

Gänse auf der Weide

Karin Fischer/help.ORF.at

Südburgenländische Weidegänse sind immer in Bewegung

Die Landwirte produzieren rund 40.000 Weidegänse für Martini und Weihnachten. Diese Weidegänse sind teurer als Importware. Ein Kilogramm kostet mindestens 11 Euro, meist werden deutlich höhere Preise verlangt, vor allem für Biogänse. 40 Prozent der Höfe sind bereits Biobetriebe. Vier Pfoten bescheinigt der Organisation hohe Tierschutzstandards.

„Königin der Nacht“ und „Concorde“ auf der Weide

Hubert Lemmel züchtet in Wiesfleck im Südburgenland Weidegänse. 300 Stück der schneeweißen Vögel hält er auf seinem Bauernhof. Tagsüber sind die Tiere draußen auf der Wiese, am Abend im Stall. Gefüttert werden sie hauptsächlich mit Gras und wenig hofeigenem Getreide. „Das macht den Unterschied: Sie dürfen ihre Jugend, ihre Pubertät, ihr Erwachsenwerden ausleben mit allen Bedürfnissen, die solche Wasservögel stellen“, so Lemmel.

Seine Freilandgänse wachsen langsamer und leben länger als Mastgänse. Ihr Fleisch ist dunkler und weniger fett. „Jede Gans hat ihren eigenen Charakter. Wir haben eine Königin der Nacht, eine Diva, einen Quasimodo und eine Concorde“, so der Landwirt, dessen Tagesablauf sich ganz nach dem der Gänse richtet. Bis vor kurzem herrschte auf seiner Weide noch reges Treiben, bevor auch seine Tiere auf den Schlachthof kamen. Er selbst isst kaum Fleisch. „Ich will niemanden zum Vegetarier machen, sondern zeigen, dass es in diesem kleinen Rahmen sehr wohl möglich ist, mit der Kreatur Gans anders umzugehen“, sagt Lemmel.

Karin Fischer, help.ORF.at

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