Air Berlin: Telefone der Konsumentenschützer laufen heiß

80.000 Passagiere sind in der Hauptreisezeit täglich mit Air Berlin unterwegs. Seit die zweitgrößte deutsche Fluglinie ein Insolvenzverfahren beantragt hat, stehen die Telefone der Konsumentenschützer nicht mehr still. Viele Urlauber sind verunsichert, ob ihr bereits bezahlter Air-Berlin-Flug noch stattfinden wird.

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Zwar erklärte die Fluglinie, dass alle Flüge wie geplant stattfinden und gebuchte Tickets gültig bleiben. Ob sich Reisende wirklich auf diese Zusage verlassen können, ist für Konsumentenschützer aber fraglich. „Ob man das für bare Münze nehmen kann, ist die Frage. Jetzt heißt es leider abwarten und schauen, was kommt“, so Andreas Herrmann, Jurist beim Europäischen Verbraucherzentrum (EVZ) in Wien.

Schon vor Pleite viel Ärger mit Air Berlin

Schon in letzter Zeit fiel Air Berlin vor allem negativ auf. Oft kam es zu Verspätungen und Ausfällen von Flügen – auch wir haben berichtet: Air Berlin lässt ganze Schulklasse stehen, Air Berlin storniert Flüge ersatzlos, Weiter Ärger mit Gutscheinen von Air Berlin.

Passagiere beim Check-in für einen Air Berlin-Flug am Flughafen Wien-Schwechat

APA/Helmut Fohringer

Bei den Urlaubern herrscht große Verunsicherung

Ticketpreis wird nicht rückerstattet

Wer nicht abwarten will, ob Air Berlin in ein paar Monaten noch fliegt oder nicht, sollte sein Ticket trotzdem nicht überstürzt stornieren, rät der Konsumentenschützer. Ein Recht auf kostenfreie Stornierung bzw. das Geld zurück gibt es nämlich nicht.

„Ich kann nicht einfach sagen ‚Tut mir leid, das ist mir zu unsicher, ihr wisst ja selbst nicht was weiter passiert, deswegen möchte ich mein Geld zurück‘“, so Herrmann. Die Insolvenz berechtige Kunden mit gebuchten Tickets nicht zu einer kostenfreien Stornierung ihrer Flugreise.

Wenn überhaupt, nur Steuern und Gebühren retour

Auch Reiserücktrittsversicherungen helfen nicht. Sie greifen, wenn ein Kunde aus persönlichen Gründen eine gebuchte Reise nicht antreten kann - etwa aufgrund einer Krankheit. Eine Insolvenz der Fluggesellschaft ist nicht abgedeckt.

Zwar bleibt immer noch das allgemeine Kündigungsrecht. Bei diesem haben Passagiere aber nur Anspruch auf die Erstattung der Steuern und Gebühren. Der Ticketpreis selbst wird nicht rückerstattet - bei Billigtickets macht das im Schnitt gerade einmal 20 Euro aus, die Air Berlin zurückzahlen müsste. Ob die Fluglinie überhaupt noch Geld an Kunden auszahlt, ist ebenfalls fraglich.

FLugzeuge der Air Berlin parken am Boden

AP

Noch müssen die Flugzeuge nicht am Boden bleiben

Was nach den drei Monaten passiert, ist offen

Die Bearbeitung von Kundenanliegen dauert bei Air Berlin erfahrungsgemäß lange und gestaltet sich noch dazu recht mühsam. In der Praxis stehen die Chancen, auch nur einen kleinen Teil des Ticketpreises retour zu bekommen, also nicht besonders gut.

Wer in nächster Zeit mit Air Berlin fliegt, hat noch die besten Aussichten. Die jetzige Geldspritze der deutschen Regierung soll den Betrieb für etwa drei Monate, also bis Ende November, sichern. „Tickets, die man für diesen Zeitraum hat, sollten hoffentlich passen und die Flüge durchgeführt werden“, so Reiserechtsexperte Herrmann. „Alles darüber hinaus ist natürlich eine andere Frage. Wir hatten auch schon Fragen zu Flügen, die erst im nächsten Jahr stattfinden. Da kann man leider noch überhaupt nichts dazu sagen.“

Pauschalreisende durch Reiseveranstalter abgesichert

Zwar ist durchaus denkbar, dass Mitbewerber das Streckennetz von Air Berlin übernehmen und die Flüge weiter anbieten. Wissen kann das derzeit aber niemand.

Kommt es zu Flugausfällen oder muss Air Berlin seinen Betrieb tatsächlich ganz einstellen, kommt es darauf an, was und wo der Reisende gebucht hat. Pauschalurlauber sind hier klar im Vorteil. Sie können sich an ihren Reiseveranstalter wenden und dieser muss im Fall der Fälle für einen Ersatzflug sorgen. Der Kunde muss sich um nichts kümmern.

Eine Flugbegleiterin geht durch leere Sitzreihen einer Boeing 737-800 von Air Berlin

APA/dpa/Caroline Seidel

Wer nur den Flug gebucht hat, schaut bei Ausfällen durch die Finger

Nur-Flug-Bucher nicht gegen Ausfall geschützt

Schlecht sieht es hingegen für Reisende, die nur einen Flug (ohne Hotel) auf der Website von Air Berlin oder im Reisebüro gebucht haben, aus. Falls die Fluglinie tatsächlich ihren Betrieb einstellen muss, bleiben die Kunden vermutlich auf ihren Tickets und Flugkosten sitzen. Zwar können die Käufer, die ihre Tickets direkt bei Air Berlin gekauft haben, dann ihre Forderungen im Insolvenzverfahren anmelden. Als einer von vielen Gläubigern haben einzelne Kunden aber nur wenig Chancen darauf, tatsächlich noch Geld zu bekommen, so Herrmann vom EVZ. Vorrang hätten die großen Gläubiger wie der Großaktionär Etihad.

Air Berlin löst keine Gutscheine mehr ein

Besonders ärgerlich für die Kunden: Wer noch Gutscheine von Air Berlin zu Hause hat, kann diese wegen des laufenden Insolvenzverfahrens nicht mehr nutzen. Denn Gutscheine, die vor dem Insolvenzverfahren ausgestellt wurden, darf Air Berlin jetzt aus recht­lichen Gründen grund­sätzlich nicht mehr einlösen. Das ist besonders bitter, da Air Berlin in der Vergangenheit seine Passagiere bei Flugverspätungen und Flugausfällen gerne mit Gutscheinen entschädigt hat. Diese sind nun nicht mehr zu gebrauchen, Kunden können ihre Forderung nur im Insolvenzverfahren anmelden.

Was offene Ansprüche auf Entschädigungen nach Flugausfällen und Verspätungen anlagt, ist bis jetzt nicht restlos geklärt, ob für Konsumenten da etwas rausschauen kann, meint man in der Arbeiterkammer (AK) in Wien. „Wir schauen uns das an, wie das rechtlich zu bewerten und haltbar ist“, so die AK. Deutsche Verbraucherschützer haben zuletzt immer wieder erklärt, dass das Recht auf Entschädigungen nicht verwirke.

VKI rät von Neubuchungen bei Air Berlin und Niki ab

Von Neubuchungen bei der insolventen Airline rät das EVZ dringend ab. „Reisende, die ein neues Ticket buchen, sollten auf andere Fluglinien ausweichen, um auf der sicheren Seite zu sein“. Das gelte auch für den Österreich-Ableger Niki. In Streitfällen oder auch bei Fragen über die aktuelle Situation von Air Berlin können sich Flugpassagiere an das EVZ (+ 43 1 588 77 81) und die Flughotline der Arbeiterkammer (+43 1 501 65 1402) wenden.

Wenn das Flugzeug nicht pünktlich startet oder der Flug ausfällt, wissen Konsumenten oft nicht über ihre Rechte Bescheid. Muss man sich selbst um einen Ersatzflug kümmern, wer bezahlt diesen? Gibt es Anspruch auf Entschädigung? Was sind „außergewöhnliche Umstände“, die Fluglinien so gerne anführen, um Forderungen abzuweisen? Wie man zu seinem Recht kommt, wenn es Ärger mit der Fluglinie gibt - mehr dazu in Welche Rechte Flugpassagiere haben.

Beate Macura, help.ORF.at

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