Air Berlin streicht Graz-Berlin: Was Betroffene tun können

Mit Anfang Juni hat Deutschlands zweitgrößte Fluglinie Air Berlin die Strecke Graz-Berlin aus dem Programm genommen. Bei der Arbeiterkammer Steiermark häufen sich seitdem die Anfragen von betroffenen Passagieren. In vielen Fällen stehen den Fluggästen Entschädigung und Ausgleichszahlungen zu.

Zuletzt hatte die finanziell angeschlagene Air Berlin Ende des Jahres auf sich aufmerksam gemacht, als die Fluggesellschaft über 30 Flugzeuge an die Lufthansa verkauft hat. Für Herbert Erhard, Experte für Reiserecht in der Konsumentenschutzabteilung der Arbeiterkammer Steiermark, ein deutliches Warnsignal: „Ich persönlich hätte bei Air Berlin damals schon keine Flüge mehr gebucht.“ Seit dem Frühjahr bearbeitete er regelmäßig Anfragen von Konsumentinnen und Konsumenten, deren Flüge von Air Berlin gestrichen wurden. Anfang Juni kam dann die Einstellung von drei Linienflügen, darunter auch die Strecke Graz-Berlin. Bei der AK Steiermark gehen seither täglich Anrufe und E-Mails ein, über 100 Betroffene waren es im vergangenen Monat.

Ersatzangebote müssen nicht angenommen werden

Die meisten Flüge würden auf Lufthansa umgebucht, so der Konsumentenschützer. Anstatt eines Direktflugs nach Berlin, müssten Reisenden in Frankfurt zwischenlanden. Hinzu kämen stark geänderte Flugzeiten mit Verschiebungen von bis zu zwölf Stunden. „Viele buchen einen Wochenendtrip nach Berlin. Anstatt wie geplant Freitagmittag in Berlin anzukommen, kann es mit Zwischenlandung in Frankfurt half elf Uhr nachts werden“, so Erhard. Betroffen seien auch Reisende, die einen Flug von Graz über Berlin nach New York gebucht haben. Diese würden mit Ersatzflügen ab Wien vertröstet. Von den beiden Air-Berlin-Linienflügen Berlin-New York sei ebenfalls einer gestrichen worden. Manche hätten deshalb Sorge, in Berlin ihren Anschluss zu versäumen.

Abflughalle des Flughafen Graz

APA/Krug / Flughafen Graz

Flughafen Graz: Air Berlin streicht Verbindung nach Berlin

Konsumenten seien keineswegs dazu verpflichtet, das Ersatzangebot der Fluggesellschaft anzunehmen, so der Reiserechtsexperte. Laut EU-Fluggastrechteverordnung würde es bei Streichung eines Fluges freistehen, vom Vertrag zurückzutreten. Das Unternehmen sei dann dazu verpflichtet, die gesamten Flugkosten innerhalb von sieben Tagen zu erstatten. Wer den Ersatzflug allerdings annimmt, sollte darauf achten, ob dadurch Mehrkosten entstehen: Wenn etwa statt dem Flug ab Graz eine zusätzliche Anreise nach Wien notwendig wird. Derartige Ersatzkosten sollten bei der Fluggesellschaft geltend gemacht werden, so Herbert Erhard.

AK Steiermark: Interventionen derzeit erfolgreich

Ein weiteres Kriterium ist der Zeitpunkt, wann man von der Streichung seines Fluges erfährt. Erfolgt die Benachrichtigung weniger als 14 Tage vor dem geplanten Reiseantritt, steht abhängig von der Länge der Flugstrecke eine finanzielle Entschädigung zu: 250 Euro bei Flügen bis zu 1.500 Kilometern, 400 Euro bei 1.500 bis 3.500 Kilometern und 600 Euro bei Flugstrecken über 3.500 Kilometern. Diese Entschädigungszahlungen gibt es aber nur unter der Voraussetzung, dass von der Fluggesellschaft kein zeitnaher Ersatzflug angeboten wird. Das bedeutet, dass entweder die Abflugzeit mehr als zwei Stunden oder die Ankunftszeit mehr als vier Stunden vom ursprünglichen Flug abweicht.

Wegen der komplexen Rechtslage empfiehlt Herbert Erhard, sich bei Streichungen von Flügen an eine Konsumentenschutzeinrichtung oder die Agentur für Passagier- und Fluggastrechte zu wenden. Bei der Arbeiterkammer Steiermark habe man mit den Interventionen gegen Air Berlin derzeit jedenfalls noch Erfolg: Die Forderungen, die man im Namen der betroffenen Konsumenten der Fluggesellschaft gestellt habe, würden erfüllt. Derzeit fließe noch Geld, wie das in ein oder zwei Monaten aussieht, möchte er aber nicht beurteilen, so Erhard.

Jonathan Scheucher, help.ORF.at

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