Samsung: „Mechanische Schäden“ als Garantiekiller

Samsung-Reparateur Mobiltouch stellt auffallend häufig „mechanische Schäden“ bei Samsung-Smartphones fest - auch, wenn keine Ursache für den Defekt gefunden wird. So seien die Herstellervorgaben, sagt Mobiletouch.

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Wer kennt es nicht – das mulmige Gefühl, das man bekommt, wenn das neue Smartphone aus der Tasche rutscht und auf den Boden knallt. Funktioniert noch alles? Sind Bildschirm und Gehäuse unverletzt? Falls nicht, kann es teuer werden. Hersteller sprechen dann von einer „mechanischen Beschädigung“, die zwingend von einer unsachgemäßen Behandlung durch den Kunden herrührt. Damit verliert der Verbraucher seine Gewährleistungs- und Garantieansprüche.

Galaxy S6 Edge: Bildschirm löste sich ab

Der Fall des Steirers Marco N. lässt vermuten, dass Smartphone-Marktführer Samsung den Begriff „mechanischer Schaden“ noch wesentlich weiter spannt. Bei dem einstigen Premiummodell Samsung Galaxy S6 löste sich der Bildschirm ab, es bildeten sich Blasen. Ohne ersichtlichen Grund, versichert Marco N; zu Sturz gekommen sei das Handy jedenfalls nicht. Marco N vermutet einen Verarbeitungsfehler, der dem Konsumenten als Fremdeinwirkung angelastet werden soll, wodurch der Verbraucher um seine Gewährleistungs- und Garantieansprüche gebracht werden soll.

Dokumentationsfoto Mobiletouch

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Probleme mit dem Display waren bei Samsungs Galaxy S6 Edge kein Einzelfall

Tatsächlich ist Marco N. nicht der einzige, der sich über die Blasenbildung am Display des Galaxy S6 Edge beschwert hat. In zahlreichen Internetforen und Fachpublikationen wird auf einen solchen Defekt bei diesem Modell hingewiesen. Es entsteht der Eindruck, dass es sich um einen Serienfehler handeln könnte.

Mechanischer Schaden: Der Kunde ist immer schuld

Da das Smartphone von Marco N bereits älter als sechs Monate war, bestand kaum Aussicht darauf, auf das Produkt noch Gewährleistung zu erhalten - er hätte nachweisen müssen, dass der Mangel bereits beim Kauf bestanden hatte. Der Steirer entschloss sich daher, die Herstellergarantie in Anspruch zu nehmen, und schickte das Gerät an die Mobiletouch Austria GmbH, den Service- und Reparaturpartner von Samsung. Mobiletouch verweigerte eine Reparatur auf Garantie, mit dem Verweis auf einen mechanischen Schaden. Man habe zwar keine Ursache für einen mechanischen Schaden feststellen können, man habe ihm lediglich erklärt, dass ein derartiger Defekt ausschließlich durch Fremdeinwirkung entstehen könne, so der junge Steirer.

Servicepartner beruft sich auf Richtlinien von Samsung

Das Telefon von Marco N weist keinerlei Spuren auf, die einen unsachgemäßem Gebrauch nahelegen. Lediglich normale Gebrauchsspuren sind vorhanden. Das kann er anhand von Fotos belegen, die Mobiletouch im Rahmen seiner Servicedokumentation angefertigt hat. Die Aufnahmen liegen der Redaktion vor.

Dokumentationsfoto Mobiletouch

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Nur Gebrauchsspuren: Das defekte Smartphone weist keine äußeren Schäden auf

Mobiletouch konnte wie bereits erwähnt keine eindeutige Ursache für den Displaydefekt eruieren und beruft sich in einer E-Mail an Marco N. auf eine Richtlinie von Samsung: „Laut Herstellervorgabe kann eine derartige Beschädigung vom Gerät selbst nicht erzeugt werden. Laut Herstellervorgabe wird bei derartigen Schäden die Garantie wegen unsachgemäßen Gebrauchs des Geräts abgelehnt.“

Samsung beruft sich auf Gutachten des Servicepartners

Samsung wiederum beruft sich auf die Expertise von Mobiletouch. Eine neuerliche Überprüfung des Geräts durch hauseigene Techniker sei ihm zunächst zugesagt worden, wurde aber wenige Stunden später mit Verweis auf das ablehnende Gutachten von Mobiletouch wieder abgesagt, so der Steirer. Eine Reparatur auf Garantie wurde endgültig abgelehnt. Die kostenpflichtige Reparatur sei von Mobiletouch mit etwa 400 Euro kalkuliert worden. Das entsprach etwa den Kosten für ein neues Handy. Für die Erstellung des Kostenvoranschlags wurden 40 Euro von Mobiletouch in Rechnung gestellt. Diese Summe verrechnet Mobiletouch grundsätzlich, andernfalls werden Geräte gar nicht erst zur Prüfung angenommen

Auf Nachfrage durch help.ORF.at verweist Mobiletouch erneut auf vorgegebene Richtlinien von Samsung: „Eine derartige Beschädigung, wie sie bei dem Kunden feststzustellen ist, ist laut Vorgaben seitens des Herstellers als mechanische Beschädigung zu werten. Sie werden mit Sicherheit auch verstehen, dass wir Ihnen die firmeninternen Vorgaben seitens Samsung, nicht weiterleiten dürfen.“

Samsung S6 Schaden - Dokumentationsfoto

Philipp Eisenmajer

Ein defekter Display ist bei Samsungs Galaxy S6 Edge kein Einzelfall

Ursache des Schadens nicht feststellbar

Samsung schließt gegenüber help.ORF.at eventuelle Material- und Verarbeitungsfehler in jedem Fall aus und sucht die Schuld für den sich ablösenden Bildschirm weiterhin bei dem betroffenen Kunden: „Der festgestellte Schaden wurde nicht durch Material oder Verarbeitung verursacht, sondern durch unsachgemäße Handhabung des Kunden. So ist das Ablösen des Displays auf eine äußerliche mechanische Beschädigung (Biegen oder Brechen) zurückzuführen, die von der Garantie ausgenommen ist. Ein solches Fehlerbild kann zum Beispiel beim übermäßigen Verbiegen entstehen, etwa wenn man sich mit dem Smartphone in der Hosentasche hinsetzt.“

Sowohl Mobiletouch als auch Samsung räumen allerdins ein, dass die ins Treffen geführten Ursachen für den beschriebenen Defekt letztlich auf Mutmaßungen beruhen. Samsung schreibt uns: „Wir möchten an dieser Stelle noch einmal ausdrücklich festhalten, dass seitens Samsung keine Ursache, sondern lediglich das Vorhandensein einer mechanischen Beschädigung festgestellt werden kann.“

Mobiletouch: „Müssen uns an Vorgaben halten“

Auf die Frage, ob eine Herstellervorgabe existiert, die festlegt, dass bestimmte Defekte in jedem Fall als mechanische Schäden zu klassifizieren und dem Kunden anzulasten sind, antwortet man bei Samsung ausweichend: „Wir haben umfassende Richtlinien für unsere Reparaturbetriebe, inklusive Dokumentation und Qualitätskontrolle. Wenn kein mechanischer Schaden nachgewiesen werden kann, wird auch kein solcher diagnostiziert. Wenn ein mechanischer Schaden ersichtlich ist, dann wird er auch dokumentiert.“

Auf erneute Nachfrage unsererseits beharrt Mobiletouch allerdings auf der Feststellung, dass die Gutachten nicht nach dem Gutdünken von Mobiletouch erstellt werden können, sondern dass man strikte Richtlinien seitens des Herstellers einzuhalten habe: "Nochmal zum Verständnis. Laut Herstellervorgaben handelt es sich bei dem Schaden weder um einen Material- noch um einen Verarbeitungsfehler. Somit ist eine Garantieleistung auszuschließen. Wir haben mehrmals versucht, zu erklären, dass wir uns lediglich an Herstellervorgaben halten müssen.

Enttäuschter Kunde: „Nie wieder Samsung“

Wie Samsung seine Garantiebedingungen gestaltet,ist letzten Endes natürlich ausschließlich Sache des Unternehmens. Die Herstellergarantie ist im Gegensatz zu der gesetzlich verankerten Gewährleistung eine freiwillige Leistung des Herstellers. Sie gehört zwar zum guten Ton, muss aber auch gar nicht gewährt werden. Marco N. ist dennoch enttäuscht von dem Konzern. Er war ein Samsung-Fan der ersten Stunde und hat bisher ausschließlich Mobiltelefone dieser Marke genutzt. Nun aber habe er sich von Samsung abgewendet. Mit seinem neuen Smartphone sei er sehr zufrieden, der Konzern aus Südkorea habe ihn als Kunden wohl dauerhaft verloren.

Paul Urban Blaha, help.ORF.at

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