Air Berlin lässt ganze Schulklasse stehen

Was tun, wenn ein Flug annulliert wird, während sich die Maschine bereits auf der Rollbahn befindet? Genau das ist einer Schulklasse aus dem südlichen Burgenland passiert. Die Gruppe musste ein Flugzeug der Air Berlin wieder verlassen, nachdem der Flieger keine Starterlaubnis erhalten hatte. Es folgten 22 Stunden auf einem Berliner Flughafen. Weitgehend ohne Verpflegung oder Betreuung.

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Eine Woche Paris: Das gönnte sich die Abschlussklasse des Marianum Steinberg, einer Haupt- und Neuen Mittelschule nahe Oberwart im südlichen Burgenland. Was der Gruppe längerfristig im Gedächtnis bleiben dürfte, ist der Rückflug mit Air Berlin. Von Paris nach Wien mit Zwischenstopp in der deutschen Hautstadt, so war es geplant. Bis zur Zwischenlandung lief alles halbwegs reibungslos, auch der Weiterflug schien gesichert. Allerdings bereits mit massiver Verspätung, statt um 21:00 Uhr saß man erst gegen 23:00 Uhr im Flieger nach Wien. Die geschätzte Flugzeit betrug 90 Minuten. Die tatsächliche Reisezeit sollte um einiges länger ausfallen. All das geschah an einem Freitag.

Flug annulliert, als Maschine schon auf der Rollbahn war

Man hatte Platz genommen, sich angeschnallt, und die Maschine fuhr auf der Rollbahn dem Start entgegen, erzählt die Mathematiklehrerin Klaudia G., sie hat die 13- und 14- jährigen Buben und Mädchen nach Paris begleitet. Anstatt an Fahrt aufzunehmen, sei das Flugzeug aber dann langsamer geworden, und das Bodenpersonal habe Signale zum Startabbruch gegeben, erinnert sich die Pädagogin: „Kurz bevor wir zum Stehen gekommen sind, sagte uns der Kapitän, dass es ihm leidtut. Der Flug sei gestrichen worden, und wir müssten in Berlin bleiben.“

Die Passagiere mussten das Flugzeug um 23.45 Uhr verlassen. Für die 33 Mitglieder der Reisegruppe, darunter 27 Kinder, gab es 16 Lunchpakete. Auf eine Person kam also etwa ein Viertelliter Wasser und ein halbes Brötchen. Dazu gab es ein bisschen was zum Naschen. Einen Essensgutschein von zehn Euro habe man danach zwar noch erhalten, allerdings erst etliche Stunden später. Während der meisten Zeit wurde die Gruppe alleine gelassen, gestrandet in Berlin Tegel. Eine Unterkunft für die Nacht wurde nicht angeboten, obwohl das gemäß der Europäischen Fluggastrechteverordnung eigentlich vorgesehen ist. Man habe die Nacht auf Bänken oder sogar am Boden liegend verbracht, so die Lehrerin.

Viele Passagiere auf dem Flughafen Berlin-Tegel

APA/AFP/Tobias Schwarz

Am Flughafen Berlin-Tegel mussten die Kinder auf dem Boden schlafen

In Berlin gestrandet: Aus 90 Minuten wurden 32 Stunden

Ein Mitarbeiter des Flughafens zeigte ihnen den Terminal, wo man am nächsten Morgen würde umbuchen können. Lehrerin Klaudia G. tat das um fünf Uhr in der Früh. Wieder für die Maschine um 21.00 Uhr, für 33 Personen war kein früherer Flug mit entsprechend vielen Sitzplätzen verfügbar. Das war am Samstag. Schließlich saß man in der Abflughalle und wartete auf das Boarding. Gegen 14.00 Uhr – die nächste Überraschung. Eine Schülerin erfuhr von ihrer Mutter via SMS, dass auch der gebuchte Ersatzflug annulliert worden war. Air Berlin hat danach keinen Flug mehr angeboten, der die Reisegruppe geschlossen nach Wien hätte bringen können. Man habe angeboten, die Kinder auf mehrere Flüge aufzuteilen, das konnte die Pädagogin jedoch aufgrund ihrer Aufsichtspflicht nicht akzeptieren.

Die Heimreise erfolgte letztlich mit einem Fernbus. Dafür mussten alle erwachsenen Miteisenden ihre Bankomatlimits ausreizen, die Kosten wurden dann von der Schule übernommen. Die Gruppe verließ Berlin am Samstag um 21.05 Uhr und erreichte Wien um 7.45 Uhr am darauffolgenden Sonntag. 22 Stunden mussten die Kinder auf dem Flughafen ausharren und danach noch gute zehn Stunden im Bus.

Passagiere haben Recht auf Verpflegung durch Airline

Hinsichtlich der Betreuungsleistungen, zu denen eine Fluglinie verpflichtet ist, sei in diesem Fall bei Air Berlin so ziemlich alles schiefgelaufen, sagt Barbara Forster, Fluggastrechteexpertin beim Europäischen Verbraucherzentrum (EVZ). Das fängt bei der Verpflegung an. Geht es nach der Fluggastrechteverordnung der Europäischen Union müssen Passagiere seitens der Airline ausreichend mit Speisen und Getränken versorgt werden. Das kann beispielsweise in Form von Gutscheinen erfolgen, die in einem Restaurant oder einer Bar am Flughafen eingelöst werden können. Ist dies nicht möglich, etwa weil aufgrund der Uhrzeit keine Lokale mehr geöffnet haben, können die Fluggäste versuchen, sich selbst zu versorgen. Die Fluglinie hätte in solchen Fällen für die entstandenen Kosten geradezustehen, so Forster. Die entsprechenden Rechnungen sollte man daher jedenfalls gut aufbewahren.

Air Berlin entschuldigt sich für Unannehmlichkeiten

Bei längeren Aufenthalten hat die Fluglinie neben der Verpflegung auch für eine entsprechende Unterbringung zu sorgen. Sollte der Aufenthalt eine ganze Nacht dauern, wie im vorliegenden Fall, hätte Air Berlin die gestrandeten Fluggäste beispielsweise in einem Hotel unterbringen müssen und sich darüber hinaus um die Transporte zwischen dem Hotel und dem Flughafen kümmern müssen.

Air Berlin Maschine gespiegelt

APA/AFP/Tobias Schwarz

Air Berlin entschuldigt sich und verspricht Ausgleichszahlung oder Gutschein

Warum die Unterbringung in einem Hotel im vorliegenden Fall unterblieben ist und die Schülerinnen und Schüler sowie ihre Betreuer zum Teil am Fußboden des Flughafens nächtigen mussten, kann sich Air Berlin selbst nicht erklären. Gegenüber help.ORF.at heißt es vonseiten der Air-Berlin-Pressestelle: „Der betreffende Flug war aufgrund einer Verkettung operativer Umstände verspätet und musste schließlich aufgrund des Nachtflugverbots in Berlin gestrichen werden. Warum die betroffenen Gäste in diesem Fall keine Hotelunterkunft erhalten haben, ist für uns leider nicht nachvollziehbar. Im Namen von Air Berlin möchten wir uns für die entstandenen Unannehmlichkeiten entschuldigen.“

Ausgleichszahlungen zwischen 250 und 600 Euro

Wenn ein Flug annulliert wird, muss die Fluglinie eine zeitnahe, alternative Beförderung, also in der Regel einen Ersatzflug, anbieten. Passagiere werden in so einem Fall meist auf andere Flüge, die ohnehin im Flugplan vorgesehen sind, umgebucht. Sollten die Passagiere eine andere Beförderung vorziehen, muss die Airline die Ticketkosten für den entfallenen Flug retournieren beziehungsweise die Rückreisekosten übernehmen.

Sollten keine außergewöhnlichen Umstände für die Annullierung eines Fluges nachweisbar sein, wie etwa Streiks oder bestimmte Wetterbedingungen, haben Passagiere Anspruch auf eine Ausgleichszahlung. Die Höhe der Ausgleichszahlung beträgt je nach Entfernung zwischen 250 und 600 Euro pro Person. Den Beweis für das Vorliegen eines solchen außergewöhnlichen Umstandes muss gemäß der Fluggastrechteverordnung die Fluglinie erbringen. Sollte eine Fluglinie begründete Ausgleichszahlungen verweigern, kann man sich, ohne zusätzliche Kosten befürchten zu müssen, an das EVZ wenden. Sollte das auch nichts nützen, kann man gegen eine Erfolgsprämie ein Fluggastrechteportal mit dem Einbringen einer Klage beauftragen. Genauere Informationen zu Ihren Rechten als Passagier finden Sie auf der Homepage des EVZ.

Nach der Intervention durch Help bietet die Air Berlin der betroffenen Schulklasse aus dem Burgenland übrigens einen Fluggutschein von 350 Euro oder die erforderliche Ausgleichszahlung in der Höhe von 250 Euro pro Person an. Zusätzlich habe Air Berlin aber auch die Rückreisekosten zu tragen, so EVZ-Juristin Forster. In keinem Fall dürfe es sein, dass die Reisegruppe oder die Schule auf irgendwelchen Kosten sitzen bleiben.

Paul Urban Blaha, help.ORF.at

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