Einkaufsstraßen laut Studie kaum barrierefrei

Die Barrierefreiheit in den Wiener Einkaufsstraßen lässt laut einer aktuellen Studie zu wünschen übrig: Über 60 Prozent der Eingänge von rund 1.800 Geschäften erfüllen nicht die gesetzlichen Vorgaben in puncto barrierefreier Zugänglichkeit. Das ergab eine Überprüfung des Beratungsunternehmens Comfort4all.

Lediglich 38 Prozent der Betriebe bieten ihren Kunden laut der Untersuchung einen barrierefreien Zugang an. Dabei konnten Unterschiede zwischen den einzelnen Gebieten festgestellt werden: Bessere Ergebnisse gab es in der Kärntner Straße, in der 58 Prozent der Betriebe einen barrierefreien Eingang hatten, in der Inneren Mariahilfer Straße waren es 57 Prozent und in der Meidlinger Hauptstraße 55 Prozent.

Schlechter schnitten die Landstraßer Hauptstraße (37 Prozent), die Favoritenstraße (36 Prozent) und die Äußere Mariahilfer Straße (17 Prozent) ab. Die Erhebung fand von Februar 2015 bis Juli 2016 statt.

Begegnungszone Mariahilferstraße

ORF.at/Christian Öser

Trotz kürzlichen Totalumbaus weist die Mariahilfer Straße Mängel bei der Barrierefreiheit auf

Barrierefreiheit schon bei Bau berücksichtigen

Besonders ärgerlich ist die fehlende Barrierefreiheit bei Einkaufsstraßen, die erst kürzlich neu gestaltet wurden. Beim Umbau der neuen Inneren Mariahilfer Straße wurde etwa das Pflaster zwar komplett neu verlegt, doch das letzte Stückerl, der barrierefreie Zugang zu den Geschäften, wurde nicht konsequent berücksichtigt. Statt leicht überwindbarer Schrägen gibt es in vielen Fällen nach wie vor Stufen beim Eingang. So kommt es zu dem Ergebnis, dass trotz des Neubaus nur knapp über die Hälfte der Geschäfte dort ohne Barriere zugänglich sind.

An taktile Leitlinien zur Orientierung für blinde und sehbehinderte Menschen mit Stock wurde zwar gedacht. Doch entlang genau dieser Leitlinien sind auch die Kanaldeckeln untergebracht, was für Verwirrung sorgt und die Orientierung mittels Blindenstock unnötig erschwert.

Ein Mann mit Blindenstock demonstriert die Hindernisse für Sehbeeinträchtigte im Straßenverkehr (in diesem Fall ein Mistkübel)

APA

Blinde Menschen orientieren sich mittels Stock

Gesetzliche Verpflichtung seit 2016

Eigentlich müssten bereits alle Geschäfte, Restaurants, Anwaltspraxen, Hotels, Haltestellen etc. ohne fremde Hilfe und ohne besondere Erschwernis auch für Menschen mit gesundheitlich bedingten Einschränkungen zugänglich und nutzbar sein. Denn die Unternehmen sind gesetzlich dazu verpflichtet sicherzustellen, dass ihre Produkte und Dienstleistungen durch bauliche Maßnahmen für alle Menschen barrierefrei erreichbar sind - egal ob Neubauten oder Altgebäude. Mit Jahresanfang 2016 trat das entsprechende Behindertengleichstellungsgesetz in vollem Umfang in Kraft.

Keine Kontrollen

Die Einhaltung des Gesetzes wird allerdings nicht kontrolliert. Von Produkten und Dienstleistungen ausgesperrte Betroffene müssen selbst die Initiative ergreifen und den jeweiligen Unternehmer auf seine Pflichten aufmerksam machen. Das kann manchmal schon zum Erfolg führen, denn oft wird Barrierefreiheit keineswegs absichtlich oder bewusst ignoriert, sondern ist das Fehlen einzig durch Unwissenheit begründet.

Ist keine Einsicht bzw. kein Einlenken seitens des Unternehmers in Sicht, kann der Fall kostenlos bei einer Schlichtungsstelle im Sozialministeriumservice vorgebracht werden. Dieses lädt den Unternehmer schriftlich zu einem Gespräch wegen fehlender Barrierefreiheit, andernfalls droht eine Klage. 90 Prozent der Unternehmer würden zu dem Schlichtungsgespräch erscheinen und sich um eine Beseitigung der Barriere bemühen, so der Verein Zentrum für Selbstbestimmtes Leben (BIZEPS).

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