Wenn das Unfallopfer übrig bleibt

Auffahrunfälle sind eine unangenehme Angelegenheit. Erst recht, wenn man der Erste in der Kette ist. Also derjenige, den in der Regel keine Schuld trifft. Zumindest die Schuld- und somit auch die Kostenfrage sollten in so einem Fall rasch geklärt sein - möchte man meinen. Der Fall eines Help-Hörers beweist das Gegenteil.

Im vergangenen August war Herr B auf der A1 in Richtung Salzburg unterwegs. Als er verkehrsbedingt bremsen musste, sei ihm der nachfolgende PKW aufgefahren, erzählt er. Dies sei auch im Unfallprotokoll vermerkt worden, welches noch an Ort und Stelle aufgesetzt wurde.

In den auffahrenden Wagen krachte dann noch ein weiteres Fahrzeug, insgesamt waren also drei Autos in die Karambolage verwickelt. Diese Tatsache spielte für Herrn B zunächst keine Rolle, er tauschte mit seinem Unfallgegner die Personalien aus, das Unfallprotokoll wurde erstellt. Die wahren Probleme begannen, als die Versicherungen ins Spiel kamen, meint Herr B gegenüber help.ORF.at.

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Wenn sich zwei streiten, zahlt der Dritte

Denn als es darum ging wer nun die Kosten zu tragen habe, sei mit einem Mal argumentiert worden, dass der Lenker des hinteren Wagens den mittleren Wagen angeschoben hätte. Somit sei der mittlere Wagen, also der Unfallgegner von Herrn B, nicht auf diesen aufgefahren, sondern quasi aufgeschoben worden. Eine Argumentation mit der Folge, dass es die Versicherung des mittleren Fahrers, in diesem Fall die Wüstenrot Versicherungs-AG, nun ablehnt für den Schaden am Wagen von Herrn B aufzukommen. In einer schriftlichen Stellungnahme beruft sich Wüstenrot auf das Argument, dass der Wagen aufgeschoben wurde:

„Es entspricht der gängigen Regulierungspraxis, dass in diesen Fällen die Kfz-Haftpflichtversicherung des letztfahrenden Fahrzeuges, hier die Oberösterreichische Versicherung, die durch das Auffahren verursachten Schäden übernimmt.“

Auffahrunfall Steiermark

APA/FF ST.MICHAEL

Wenn es im Straßenverkehr kracht, bleibt oft mehr als ein Blechschaden

Das sieht man bei der Oberösterreichischen Versicherung, der Versicherung des dritten Fahrzeuglenkers, anders. Zunächst müsse geklärt werden ob der dritte Fahrer überhaupt aufgefahren sei. Bis dahin sei Wüstenrot für den Schaden von Herrn B zuständig. Schließlich habe der zweite Fahrer noch im Unfallbericht eingeräumt für den Vorfall verantwortlich zu sein.

Jedem steht es frei, seine Meinung zu ändern

Mittlerweile vertritt auch der Lenker des zweiten Wagens die Ansicht, er sei nicht aufgefahren sondern aufgeschoben worden. Anders als im ursprünglichen Unfallbericht hat er das in einem Bericht an seine Versicherung auch so angegeben. Dies sei auch eine durchaus legitime Vorgehensweise, meint der Leiter der ARBÖ Rechtsabteilung Stefan Mann. Mann gibt zu bedenken, dass man sich nach einem Verkehrsunfall durchaus in einer Ausnahmesituation befände. So gesehen sei es durchaus möglich, dass man zunächst überhastet ungenaue Angaben mache, die man später revidieren wolle.

Die Polizei war zunächst am Unfallort anwesend und erkundigte sich ob es Verletzte gäbe. Da dem nicht so war fuhr sie weiter, zu einem Unfall mit Personenschaden und hat den Vorfall nicht näher protokolliert. Hier habe die Polizei auch korrekt gehandelt, so der ARBÖ-Experte Mann. In so einem Fall müsse man die verschiedenen Interessen gegeneinander abwägen. Menschenleben habe bei solchen Überlegungen selbstverständlich Vorrang.

Unfallhergang muss rekonstruiert werden

Der Leidtragende der ganzen Affäre bleibt das Unfallopfer. Bei der Oberösterreichischen Versicherung zeigt man Verständnis. Es könne letztendlich nicht sein, dass dieser auf den Kosten sitzen bleibe, so ein Pressesprecher. Dass sich die Versicherer letztlich die Kosten in irgendeiner Weise teilen könnten, möchte man bei der Oberösterreichischen Versicherung nicht komplett ausschließen. Allerdings müsse der Unfallhergang zunächst zweifelsfrei rekonstruiert werden. Dies sei nur mit Hilfe externer Gutachter möglich.

Da die Versicherungen der potentiellen Unfallfahrer sich derweil nicht einigen können, wird Herr B den Schaden über seine Kaskoversicherung decken müssen. Die übernimmt die Deckung und will sich, sobald der genaue Unfallhergang geklärt ist, bei den anderen Versicherungen schadlos halten. Die Folgen für Herrn B sind unangenehm. Denn für ihn steigt die Versicherungsprämie. Obwohl ihn an dem Vorfall keine Schuld trifft.

Experte: Zeugen suchen und viele Fotos machen

Wie es weitergeht, muss nun also ein Gericht entscheiden. Dort wird wohl ein KFZ-Sachverständiger versuchen, den genauen Hergang zu klären. Auch das könnte kompliziert werden. Das Fahrzeug von Herrn B ist mittlerweile repariert, Fotos oder Zeugen des Vorfalls gibt es nicht. ARBÖ-Experte Stefan Mann empfiehlt in solchen Fällen, sowohl Bremsspuren als auch Fahrzeugschäden möglichst genau fotografisch zu dokumentieren. Außerdem sollte man in jedem Fall Zeugen zuziehen und sich deren Adresse für den Fall, dass es zu einem Verfahren kommt, notieren.

So würde nun auch Herr B verfahren. Er gelangte zu der Erkenntnis, dass man in große Schwierigkeiten geraten kann, wenn man in solchen Situationen zu vertrauensselig agiert. Auch wenn es zunächst den Anschein macht als wäre die Lage völlig klar.

Paul Urban Blaha, help.ORF.at

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