Ticketrückerstattung nach Tod jahrelang verschleppt

Auf Kundenfreundlichkeit und Kulanz gibt es keinen Rechtsanspruch. Auf die Idee, in Ausnahmesituationen so etwas wie Menschlichkeit und Fingerspitzengefühl zu zeigen, kommen manche Unternehmen folgerichtig auch nicht. So wartet eine Mutter, deren Sohn vor mehr als zwei Jahren kurz vor einer Flugreise überraschend starb, noch immer auf eine Rückerstattung. Ein Fall, der selbst bei erfahrenen Konsumentenschützern Entsetzen auslöst.

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Es hätte ein Geburtstagsgeschenk sein sollen: 14 Tage Alicante gemeinsam mit seiner Freundin, der Flug war mir der spanischen Iberia gebucht. Doch dazu kam es nicht. Herr M. starb plötzlich im Alter von 33 Jahren. Das war im Frühsommer 2014. „Seitdem versucht die Mutter des Verstorbenen, von der Fluglinie, beziehungsweise dem Internetreisebüro Travelgenio, das Geld für dieses nicht genutzte Ticket zurückzubekommen“, sagt Barbara Forster vom Europäischen Verbraucherzentrum (EVZ). „Seit zwei Jahren ist das offenbar nicht möglich. Es werden wieder und wieder Dokumente gefordert, oder es kommen unsinnige Emails mit weiteren Fragen, die ohnehin schon beantwortet wurden.“

Sterbe- und Geburtsurkunde gefordert – im Original

Dabei waren die ersten Reaktionen von Iberia und der Reiseplattform formal durchaus nachvollziehbar, sagt Juristin Forster. Verlangt wurden Nachweise, dass der Passagier gestorben ist, ein Nachweis, dass es sich bei der Mutter, die einen anderen Nachnamen trägt als Herr M., tatsächlich um einen Elternteil handelt, sowie ein Ausweisdokument des Passagiers.

Das wurde auch alles geliefert, als Fax und als Scan. Eine Reaktion oder gar eine Rückerstattung blieb aus. Schließlich kontaktierte die Mutter das Europäische Verbraucherzentrum – und die Angelegenheit drehte sich ins Absurde, sagt Barbara Forster: „Uns, dem EVZ gegenüber, wurde gesagt, man brauche Originalunterlagen. Den Pass im Original, die Geburts- und die Sterbeurkunde im Original. Und das ist natürlich eine Wahnsinnsforderung.“ Aus der Sicht Forsters sind die Forderungen der Iberia und des Reisebüros extrem unsensibel: „Jemand, der sein Kind verloren hat, der wird doch nicht Dokumente, die an die Geburt des Kindes erinnern, an das Leben mit dem Kind, im Original an Spanien schicken, an Firmen, die zwei Jahre lang nicht im Stande waren, eine Zahlung zu leisten. Es ist unserer Ansicht nach auch überhaupt nicht sinnig, die Originalunterlagen zu fordern. Denn die Nachweise, dass hier ein begründeter Anlass für eine Rückzahlung besteht, die habe ich auch, wenn ich das als Kopie bekomme.“

„Ein ungeheuerlicher Fall“

Der Fluglinie und dem Reisebüro wurde angeboten, die Dokumente noch einmal und farbkopiert per Post zu schicken, doch keine Chance. Die Fluglinie bestehe auf Originalen, erklärte die Buchungplattform. Iberia verwies weiterhin auf die Zuständigkeit von Travelgenio. Dieses Ping-Pong-Spiel sei ein häufiges Muster, wenn nach Buchungen über Internetreisebüros Probleme auftreten, so Forster.

Auch, wenn es sich, wie im konkreten Fall, nicht um eine Bitte um Kulanz handelt. Wenigstens die gezahlten Gebühren und Abgaben müssen bei Nichtantritt zurückgezahlt werden und je nach Ticket auch der ganze oder teilweise Flugpreis. Der Fall von Herrn M. sei extrem, sagt EVZ-Juristin Forster. Beschwerden über Airlines und Buchungsplattformen gehörten zwar zum täglichen Geschäft; „aber dass sich das so lange hinzieht, dass in so einem Fall Originaldokumente gefordert werden, das ist ungeheuerlich. Das habe ich noch nie erlebt.“

Keine Chance auf Kulanz

Barbara Forster ist der Ansicht, dass spätestens jetzt der Zeitpunkt für eine vollständige Rückerstattung aus Kulanz gekommen wäre. Auf Anfragen von help.ORF.at reagierte die Buchungsplattform Travelgenio gar nicht. Iberia antwortete zwar prompt, blieb jedoch dabei, dass nicht sie, sondern die Buchungsplattform für die Rückerstattung zuständig sei. Von einem Kulanzangebot war auch auf gezielte Nachfrage nie die Rede.
Immerhin lieferte Iberia den Nachweis, dass bereits Zahlungen an Travelgenio erfolgt sind. Somit ist wenigstens klar, an welcher Stelle das Geld stecken geblieben ist. Auch darüber wurden das EVZ und die Mutter von Herrn M im Dunkeln gelassen.

Zwei ungeklärte Rechtsfragen ergeben sich aus Sicht von Juristin Forster aus dem Fall: Darf eine Airline oder eine Plattform auf Originalunterlagen jenseits der Reisedokumente bestehen? Und: Darf eine Airline verlangen, dass die Rückerstattung auf demselben Weg erfolgt wie die Buchung, auch wenn sich der Anspruch direkt aus dem Rechtsverhältnis zwischen Fluglinie und Passagier ergibt? Stoff, aus dem Musterprozesse gschneidert werden können.

Matthias Däuble, help.ORF.at