EuGH-Urteil verkompliziert Verbraucherschutz

Ein gerichtliches Vorgehen wird für Konsumentenschutzverbände deutlich komplizierter. Schuld daran ist ein weitreichendes Erkenntnis des Europäischen Gerichtshofs (EuGH). Es geht um grenzüberschreitende Geschäfte und die Bedingungen, unter denen sie getätigt werden.

Der Verein für Konsumenteninformation (VKI) wandte sich im Auftrag des Sozialministeriums mit einer Unterlassungsklage an die Gerichte. Es ging um eine Reihe von Klauseln in den Allgemeinen Geschäftsbedingungen des Online-Versandriesen Amazon.

Grundfrage: Welches Recht gilt

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Die Konsumentenschützer haben Klauseln zur Rechtswahl, zum Rücktrittsrecht, zur Datenübermittlung und zu Verzugszinsen beanstandet. Die Rechtswahlklausel legt fest, welche nationale Rechtsordnung bei dem getroffenen Geschäft angewendet wird. Nach Ausschöpfung aller Instanzen war zuletzt der Oberste Gerichtshof (OGH) in Österreich am Wort. Weil es letztlich um die Auslegung von EU-Gemeinschaftsrecht geht, legte der OGH die Sache dem Europäischen Gerichtshof vor. Dieser sollte klären, welche EU-Verordnung auf die Prüfung der Klauseln anzuwenden ist.

„Die Grundfrage war, welches Recht hier zur Anwendung kommt“, so Help-Jurist Sebastian Schumacher. Sei die Rechtswidrigkeit von Vertragsklauseln automatisch nach österreichischem Recht zu prüfen oder müsse man sich anschauen, welches Recht zwischen einem österreichischen Verbraucher und Amazon zur Anwendung käme. Im zweiten Fall seien die Klauseln nach jenem Recht zu prüfen.

Juristischer Dämpfer für Konsumentenschützer

Der OGH war der Ansicht, dass automatisch österreichisches Recht gilt. Begründet wurde das damit, dass es sich bei einer Verbandsklage im weitesten Sinn um eine Wettbewerbssache handle und hierbei die sogenannte EU-Verordnung „Rom-2“ greife. Damit wäre immer dasjenige Recht anzuwenden, das die Verbraucherorganisation aufgrund ihres Sitzes zu befolgen hat, beim VKI ist das Österreich.

In der juristischen Literatur findet sich aber auch die Rechtsauffassung, dass eine andere EU-Verordnung, nämlich „Rom-1“ gelte. Sie besagt, dass man sich für die Überprüfung der Klauseln jeweils ansehen muss, welches Recht zwischen einem österreichischen Verbraucher und Amazon anzuwenden wäre. Nach jenem Recht wären dann die Klauseln zu prüfen. Der EuGH ist der zweiten Rechtsansicht gefolgt. Der Europäische Gerichtshof hat entschieden, dass auch bei einer Verbandsklage einer Verbraucherorganisation „zunächst zu prüfen ist, welches Recht zwischen dem Konsumenten und dem ausländischen Unternehmer als vereinbart gilt“, so help-Jurist Schumacher.

Klauseln müssen präzisiert werden

Rechtswahlklauseln finden sich sehr häufig in den Allgemeinen Geschäftsbedingungen von Unternehmen, so auch bei Amazon. „Es gilt luxemburgisches Recht unter Ausschluss des UN-Kaufrechts“, heißt es in den Geschäftsbedinungen des Online-Händlers.

Auch diese Klausel hat der VKI angefochten und auch diese Klausel legte der Oberste Gerichtshof dem EuGH vor. Der EuGH entschied, dass eine derart allgemein gehaltene, schrankenlose Rechtswahlklausel ungültig ist. Help-Jurist Schumacher, geht davon aus, dass die beanstandeten Rechtswahlklauseln ausländischer Unternehmer jetzt angepasst werden. Künftig werde es genauere Hinweise geben, welche zwingenden Bestimmungen des Heimatrechts eines Konsumenten für diesen weiterhin gelten.

Verfahren werden komplizierter

Das Schutzniveau für Verbraucher sei nicht unbedingt gesunken, so Schumacher. Allerdings werde es künftig komplizierter, festzustellen, welches Recht zur Anwendung kommt, wenn eine Verbraucherorganisation ein ausländisches Unternehmen auf die Unterlassung von Klauseln klagt.

Gerade, wenn ein Unternehmen bestreitet, Dienstleistungen in einem bestimmten Land zu erbringen, werde man zunächst klären müssen, ob das tatsächlich zutrifft, so der Jurist. Kommt dann ausländisches Recht zur Anwendung, müsse man zunächst die ausländischen Rechtsquellen beschaffen und sie übersetzen lassen. Es sei also wenig verwunderlich, wenn der VKI von einem „Rückschritt im Verbraucherschutz“ spricht.

Johanna Jaufer, help.ORF.at

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